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Sondersitzung AGRAR digital: Green Deal – Ein guter Deal für die Landwirtschaft?

Verfasst von Lena Rieble am 15.06.2021 unter Unternehmensnews

Am 10. Juni stand bei der 14. Sondersitzung AGRAR der europäische Grüne Deal im Mittelpunkt. Nach einer politischen Keynote positionierten sich hochranginge Vertreter:innen aus der grünen Branche und der Wissenschaft zur Rahmenstrategie der Europäischen Kommission. In der anschließenden Paneldiskussion tauschten sich Experten u. a. über nötige Innovationen in Landwirtschaft und Agrarpolitik, eine faire Entlohnung der Landwirte und über die herausfordernde Umsetzung der europäischen Strategien aus. Über 160 Gäste aus Politik, (Land-) Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Zivilgesellschaft nahmen live teil. Event verpasst? Hier können Sie die Diskussion noch einmal in voller Länge ansehen.

Die Klima- und Energiemaßnahmen des „Green Deal“ stellen die landwirtschaftlichen Themen aktuell „in den Schatten“. So leitete Dr. Robert Gampfer, politischer Referent für Landwirtschaft, Umwelt, Klima, Energie und Gesundheit bei der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, seinen Impuls über den Green Deal und die Farm-to-Fork-Strategie ein. Dennoch betonte er: „Die Landwirtschaft muss einen Beitrag leisten bei der Senkung der Treibhausemmissionen.“ Gleichzeitig sei die Landwirtschaft auch an anderen Zielen des Green Deal direkt beteiligt. Denn in der Farm-to-Fork-Strategie gehe es nicht nur um eine Reform der Produktion, sondern darum, das gesamte Ernährungssystem nachhaltiger zu machen. Auch der Erhalt der Artenvielfalt sowie ein „faires Auskommen“ der Landwirte und ein sozial gerechter Übergang müssten Beachtung finden. Insgesamt könne die Landwirtschaft „vom Biodiversitätsverlust noch deutlich direkter betroffen sein […] als vom Klimawandel“.

„Der Green Deal ist ein grüner Schlüssel in unsere Zukunft“, betonte Prof. Dr. Ilka Axmann (HHU Düsseldorf/CEPLAS). Sie wünsche sich ein nachhaltiges Kreislaufsystem und mehr Vertrauen in neue (Bio-) Technologien. Doch noch fehle es hier an guter Kommunikation und kritischer Diskussion.

Dr. Carl-Stephan Schäfer (Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e. V.) betonte: „Weniger Pflanzenschutzmittel und weniger Düngemittel sowie weniger natürliche Ressourcen wie Wasser sorgen dafür, dass der Pflanzenzüchtung – und zwar in Form von neuen Sorten – eine noch größere Bedeutung in Zukunft zukommen wird.“ Um die neuen Zuchtziele zu erreichen, benötige die Pflanzenzüchtung jedoch „verlässliche und langfristig angelegte Rahmenbedingungen“.

Dr. Henning Ehlers (Deutscher Raiffeisenverband e. V.) kritisierte: „Die EU Kommission lässt bei ihren Vorschlägen zur Farm-to-Fork-Strategie an einigen Stellen das notwendige Augenmaß vermissen.“ Pauschale Reduktionsziele lehne der DRV aufgrund der fehlenden wissenschaftlichen Begründung ab. Stattdessen könnten neue Züchtungstechniken zur Erreichung der Ziele beitragen.

Die politische Vertretung der Frauen in der deutschen Landwirtschaft rief dazu auf, die heimische Produktion zu stärken. Juliane Vees (Deutscher LandFrauenverband e. V.) betonte: „Bäuerinnen und Bauern brauchen umsetzbare Ziele, die zwingend auch honoriert werden.“ Zudem müsse eine Folgenabschätzung durchgeführt werden. „Nur so sind landwirtschaftliche Betriebe bereit, ihre Strukturen dauerhaft anzupassen und noch stärker klimatechnisch auszurichten“, so Vees.

Eva Kähler-Theuerkauf (Zentralverband Gartenbau e. V.) betonte ebenfalls: „Wir brauchen die Unterstützung seitens der Politik, damit unsere Betriebe nicht zukünftig im europäischen Ausland produzieren müssen.“ Zudem stehe die Erhaltung der Pflanzengesundheit für den Gartenbau im Mittelpunkt: „Hier sind neben dem uns bekannten Nützlingseinsatz, sichere und nützlingsschonende Pflanzenschutzmittel notwendig.“

Im anschließenden Panel diskutierten Dr. Robert Gampfer, Konstantin Kreiser (NABU), Max Müller (Bayer AG) und Dr. Simon Schlüter (Deutscher Bauernverband).

Konstantin Kreiser, stellvertretender Leiter des Fachbereichs Naturschutzpolitik beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), stellte fest, dass der NABU den Green Deal „voll und ganz“ unterstütze und als „klaren Meilenstein“ begrüße. Dennoch äußerte er auch Kritik: „Die Landwirtschaft hat unsere Ökosysteme teilweise ans Limit oder über das Limit hinaus gebracht.“ Dass es jetzt auch um Geschwindigkeit gehe, sei auch eine Konsequenz der verschleppten Reformen der Vorgängerkommissionen. „Technische Innovationen sind Teil der Lösung“, sagte Kreiser, doch man benötige auch Innovationen in der Politik. „Die Agrarpolitik ist derzeit innovationsfeindlich, weil sie den Status Quo eher subventioniert als Transformation.“ Man könne außerdem nicht erwarten, dass Verbraucher und Landwirte bei Konsum und Anbau kurzfristig ökonomisch unsinnige Entscheidungen träfen.

Dr. Simon Schlüter, Leiter des Büros für europäische und internationale Beziehungen des Deutschen Bauernverbandes in Brüssel, bekräftigte die Position des DBV, dass es sich beim Green Deal um „einen Generalangriff auf die europäische Landwirtschaft“ handle. „Wir Bauern können Transformation“, sagte Schlüter, doch beim Green Deal könnten die hohe Anpassungsgeschwindigkeit und fehlende Abfederung die Bauern überfordern. Ob der Green Deal zu einer puren Reduktionsstrategie oder zu einer nachhaltigen Intensivierungsstrategie werde, werde man erst in den kommenden Jahren sehen. Problematisch sei aus seiner Sicht, dass landwirtschaftliche Betriebe mit Biodiversitäts- oder Klimaschutzleistungen bisher noch kein Geld verdienen könnten. Weiterhin führten größere Trockenperioden und häufigere Starkregenereignisse zu mehr Handlungsbedarf in der Pflanzenzucht – der DBV befürwortet daher den Einsatz von neuen Züchtungsmethoden.

„[Es] ist unsere Aufgabe als forschendes Unternehmen, dass wir Wissenschaft in Form von Innovationen in den Markt bringen“, stellte Max Müller, Leiter Corporate Public Affairs Germany & EU bei der Bayer AG, fest. Das Reduktionsziel des Green Deal decke sich auch mit der Nachhaltigkeitsstrategie der Bayer AG. Eine reine Reduktion des Volumens, z. B. bei Pflanzenschutzmitteln, werde aber nicht den erhofften Effekt erzielen. Es gehe vor allem um die Reduktion der Umweltauswirkungen: „Diese kann man durch moderne Technologie, durch Smart Farming oder Digital Farming, durchaus erreichen.“ Es dürfe beim Green Deal jedoch nicht um eine Verzichtsdebatte gehen und die Handlungsfähigkeit der Landwirte müsse gewährleistet werden. Müller ergänzte, er habe die Sorge, dass wir uns noch nicht genug trauten, die Möglichkeiten, die auch in anderen Bereichen der Welt eingesetzt werden, zur Anwendung zu bringen.

„[Die Farm-to-Fork-Strategie ist] eine große Baustelle“, gab Dr. Robert Gampfer zu. Noch enthalte sie nur wenige konkrete Maßnahmen. In den nächsten Jahren müsse die Kommission in Zusammenarbeit mit Stakeholdern und Mitgliedsstaaten konkrete Gesetzesmaßnahmen entwickeln. Die übergeordneten politischen Ziele aus Farm-to-Fork-Strategie und Green Deal sollten dennoch bereits in den aktuellen Verhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik reflektiert werden.

Zum Abschluss beantworteten die Experten die Frage, ob der Green Deal ein guter Deal für die Landwirtschaft sei, überwiegend zustimmend. Sie betonten, dass der Green Deal großes Potenzial habe, sofern er mit Mut, Ernsthaftigkeit, gesellschaftlicher Unterstützung und modernen Technologien umgesetzt und nicht zum Greenwashing werde.

Wir danken unseren Partnern der Bayer AG, dem Deutschen Raiffeisenverband e. V. und dem U.S. Soybean Export Council (USSEC) sowie unserem Medienpartner, der agrarzeitung, und unserem ideellen Partner, dem Deutschen Bauernverband (DBV).

Das schreiben andere über die Veranstaltung:

Bei Interesse an der Veranstaltungsreihe und einer Teilnahme wenden Sie sich bitte an agrar@sondersitzung.berlin.

Nächster Termin: Herbst 2021

Unser Hashtag in sozialen Medien: #SoSiAGRAR

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