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Sondersitzung AGRAR: Carbon Farming – Mehr Klimaschutz und neue Einnahmequelle?

Verfasst von Lena Rieble am 07.12.2021 unter Unternehmensnews

Am 2. Dezember stand bei der 15. Sondersitzung AGRAR das Thema Carbon Farming im Fokus. Nach Impulsen aus Politik und Wissenschaft zum Status quo des Carbon Farming stellten Vertreter aus der Wirtschaft praktische Beispiele vor, wie Carbon Farming betrieben und honoriert werden kann. Anschließend diskutierten die Podiumsgäste über das Klimaschutzpotenzial der regenerativen Landwirtschaft, deren Rolle im neuen Koalitionsvertrag und Optionen für die Honorierung der Landwirte. Mehr als 170 Gäste aus Politik, (Land-) Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Zivilgesellschaft verfolgten die Veranstaltung im Haus der Land- und Ernährungswirtschaft in Berlin oder per Livestream über Zoom. Sie waren nicht dabei? Hier können Sie sich die Aufzeichnung des Livestreams und die Bildergalerie ansehen.


© Andreas Neßlinger

In seiner Begrüßung betonte Udo Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, man müsse das landwirtschaftliche Gesamtsystem im Blick behalten: „Das beste Carbon Farming-Konzept hilft uns nur wenig, wenn wir in anderen Bereichen […] große Einbußen haben.“ Zudem müsse man den Anwendungsbereich von Carbon Farming definieren und einen Rahmen für das Monitoring schaffen.

Die Ampel-Koalition wolle Klimaschutzleistungen im Ackerbau fördern und honorieren, hob Carina Konrad, Mitglied des Deutschen Bundestages, in ihrem politischen Impuls hervor. Die Landwirtschaft leide am stärksten unter dem Klimawandel, erklärte die FDP-Politikerin, die zuletzt für ihre Partei die Koalitionsverhandlungen der Arbeitsgruppe „Landwirtschaft und Ernährung“ leitete. Aber sie sei auch Teil der Lösung. Dass Landwirte aber hauptsächlich Klimawirte werden daran glaube sie nicht. Es werde vielmehr ein „Spagat“ zwischen Extensivierung und einer intensiven, nachhaltigen Landwirtschaft nötig.


Digital dazugeschaltet: Carina Konrad

„Es ist mehr Kohlenstoff im Boden gespeichert als in der gesamten Atmosphäre und Vegetation zusammen“, stellte Katharina Helming, Professorin und Forschungsgruppenleiterin am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung e. V. (ZALF), zu Beginn ihres wissenschaftlichen Impulses fest. Humusaufbau trage nicht nur zum Klimaschutz bei, ein gesunder Boden sei auch die beste Versicherung gegen die Folgen des Klimawandels. Dabei spielten die Bewirtschaftungsmethoden eine große Rolle. „Man darf den Boden nicht sehen, wenn man ihn mag“, betonte Helming. Da man den Verbleib des organischen Kohlenstoffes im Boden nicht garantieren könne, sei Carbon Farming als Kompensationsmaßnahme nur wenig geeignet, kritisierte sie.

Laut Dr. Klaus Kunz, verantwortlich für Nachhaltigkeit und Business Stewardship bei Bayer CropScience, kann die Privatwirtschaft Landwirte dabei unterstützen, ihre Investitionskosten zu decken. Viele Firmen möchten klimaneutral werden und seien bereit, mehr Geld für Kompensation auszugeben. Knackpunkt sei die Quantifizierung: „Wenn wir kein System haben, dass die Maßnahmen messbar und verifizierbar macht, können wir das nicht in ein finanzielles Derivat übersetzen“, betont er. Dennoch gebe es bei Bayer bereits Carbon Farming-Pilotprojekte mit Landwirten, denn die Zeit dränge.

Laut Caspar von Ziegner, Geschäftsführer der NovoCarbo GmbH, ist Pflanzenkohle eine Kohlenstoffsenke, die zur Bodenverbesserung und als Futterzusatz genutzt werden kann und so dem Humusaufbau und der Emissionsminderung dient. Die Kohlenstoffsenkenfunktion, kann extern über entsprechende Marktplätze verkauft werden. Derzeit investiere das Unternehmen in einen zweiten Produktionsstandort, um die Menge zu erhöhen und den Preis zu reduzieren. Die gesamtgesellschaftliche Leistung werde aktuell aber nicht honoriert. Das sei jedoch zwingend notwendig, um Carbon Farming erfolgreich zu machen.

Welche Barrieren halten Landwirte davon ab, auf regenerative Landwirtschaft umzustellen? Laut Dr. Robert Gerlach, Geschäftsführer von Klim – Carbon Farmed Solutions GmbH, fehlt es an Finanzierung, Fachwissen und Wertschätzung in der Bevölkerung. Klim beziehe daher Landwirte, Verbraucher und die Lebensmittelindustrie in einen „holistischen“ Ansatz ein – durch digitale Angebote für die Landwirte und ein Lebensmittellabel für die Verbraucher. Das Unternehmen fördere gezielt verschiedene regenerative Methoden, deren Anzahl stetig erweitert werde. „Wir sehen das, was wir tun, auch als eine Möglichkeit für Landwirte, die Ökosystemleistungen, die sie erbringen, sichtbar zu machen und zu monetarisieren“, fügte er hinzu. Das stoße auch bei den Verbrauchern auf Interesse.


© Andreas Neßlinger

In der anschließenden Paneldiskussion betonte Max Brandes, Referent Agribusiness bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank, dass die Landwirte durch die Volatilität der Preise, den Klimawandel und das kritische Interesse der Gesellschaft unter Druck stünden. „Mit Carbon Farming haben wir hoffentlich bald ein Geschäftsmodell, das ein wirtschaftliches Einkommen für die Landwirte schafft, aber die Landwirte auch gesellschaftlich wieder positiver darstellt“, so seine Hoffnung. Die Rentenbank wolle einen Finanzierungsmechanismus entwickeln, der die Bindungsleistungen der Land- und Forstwirtschaft abbildet. Zudem brauche es mehr kurzfristige Anreize, wie eine Maschinenförderung. Dabei werde zwar keine CO2-Reduktion gemessen und honoriert, es gebe aber trotzdem „einen Effekt im Humusaufbau, für die Biodiversität und Bodengesundheit“, sagte Brandes.

Gerlach erklärte, dass es nicht nur finanzielle Gründe gebe auf regenerative Methoden umzustellen: „Ein anderer Anreiz ist, dass man den eigenen Hof zukunftsfähig gestaltet, zum Beispiel Resistenz gegen die immer häufiger auftretenden Dürreperioden schafft.“ Noch könnten nicht alle Methoden der regenerativen Landwirtschaft kostendeckend finanziert werden. Daher hoffe er, dass der Preis für eine Tonne CO2 weiter steige, um deren tatsächliche Schäden zu reflektieren. Er berichtet, dass den bei Klim aktiven Landwirten unbürokratische Prozesse und der Austausch in der Community wichtig seien. Viele Landwirte wollten außerdem von den Verbrauchern als Teil der Klimalösung gesehen werden.

Professor Katharina Helming bewertete die Honorierung der Landwirte über CO2-Zertifikate kritisch: „Die Credits haben das Problem, dass wir die Permanenz nicht garantieren können.“ Hinzu komme, dass die Messung schwierig, teuer und ungenau sei und Zertifikate oft nur einen Zeitraum von fünf Jahren betrachten – ein „Wimpernschlag“ für den Boden. Eine reduzierte Bodenbearbeitung sei dennoch wichtig für die Bodenstruktur. Um organische Substanzen und Mikroorganismen ohne Bodenbearbeitung vom Ober- in den Unterboden zu bringen, seien die richtige Fruchtfolge und der komplementäre Anbau von Tiefwurzlern nötig.

Für Carina Konrad sind die entscheidenden Fragen, wie die Klimaschutzleistungen in der Landwirtschaft bilanziert und nachhaltig gestaltet werden können. „Es geht nicht darum, kurzfristige Effekte zu generieren, sondern Kohlenstoff langfristig, stabil und anpassungsfähig im Boden zu speichern“, betonte Konrad. Dafür müssten Ackerbau- und Anbausysteme weiterentwickelt, aber auch regionale Unterschiede in den Gegebenheiten mitbedacht werden. Die Länder stünden auch vor der Aufgabe, die europäischen Boden- und Kohlenstoffstrategien zu begleiten.

In der Abschlussrunde formulierten die Expertinnen und Experten ihre Wünsche an die neue Regierung: Nötig seien kurzfristige Anreize für Carbon Farming, der Abbau klimaschädlicher Subventionen sowie die Förderung von Ökosystemleistungen, eine langfristige Planbarkeit für die Landwirte, mehr Pragmatismus und die Unterstützung privatwirtschaftlicher Initiativen. Von der Europäischen Union wird Klarheit mit Blick auf künftige Strategien erwartet, um diese auf nationaler Ebene begleiten zu können.

Wir danken unseren Partnern der Bayer AG, Klim - Carbon Farmed Solutions GmbH, dem U.S. Soybean Export Council (USSEC), der agrarzeitung als Medienpartner sowie dem Deutschen Bauernverband (DBV) als ideellem Partner. Für die fachliche Unterstützung danken wir dem Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e. V. (KTBL).

Das schreiben andere über die Veranstaltung:

Bei Interesse an der Veranstaltungsreihe und einer Teilnahme wenden Sie sich bitte mit einer E-Mail an agrar@sondersitzung.berlin.

Nächster Termin: Frühjahr 2022

Unser Hashtag in sozialen Medien: #SondersitzungAGRAR

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